Pädagogische / Ethische Schulrechtliche Fragen zu KI im Unterricht
Wie soll mit dieser neuen Möglichkeit in der Schule umgegangen werden?
Peter MüllerVeröffentlicht 03.03.2023 15:19
Die Zugänglichkeit von KI-Textgeneratoren ist in ihren Auswirkungen derzeit kaum abschätzbar. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Forschung betonen übereinstimmend, dass die Auswirkungen solcher KI auf das Bildungssystem und die Arbeitswelt immens sein werden. Vor dem Hintergrund des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule muss sich das Bildungssystem daher mit diesen neuen Entwicklungen und Auswirkungen auseinandersetzen: Je nach Perspektive kann KI aus Sicht des Betrachtenden Chancen bieten und neue Perspektiven eröffnen oder neue Herausforderungen und auch Gefahren bergen. Beide Perspektiven müssen berücksichtigt werden. Wir laden Sie daher ein, sich offen und konstruktiv mit den neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und diese im Unterricht zu thematisieren.
(vgl. Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen: Ein Handlungsleitfaden, Ministerium für Schulen und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen)
Ist der Einsatz von Text erzeugender KI im Unterricht zulässig?
Der Einsatz von KI-Anwendungen wird in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen an Bedeutung gewinnen. Im Sinne des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule, zu dem auch der verantwortungsbewusste und sichere Umgang mit Medien in der digitalen Welt gehört (§ 1 Abs. 6 SchulG), ist es auch Aufgabe der Schule, Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Unterrichts mit KI vertraut zu machen und gemeinsam in einem geschützten Raum zu erfahren, wie KI-basierte Textgeneratoren funktionieren, welche Potenziale, aber auch welche Risiken damit verbunden sein können.
Ein Verbot, KI im Unterricht zu thematisieren und didaktisch zu nutzen, kann vor dem Hintergrund einer sich äußerst dynamisch entwickelnden Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler keine tragfähige Antwort sein. Es ist daher wichtig, dass sich Unterricht und Schule weiter öffnen und die Entwicklungen gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern reflektiert werden. Es liegt auf der Hand, dass KI für Schülerinnen und Schüler von großem Interesse ist und daher stark an ihre Lebenswelt anknüpfen kann.
(vgl. Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen: Ein Handlungsleitfaden, Ministerium für Schulen und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen)
Vor welchem Hintergrund soll die Beschäftigung mit KI-Anwendungen stattfinden?
Claudia NittlVeröffentlicht 03.05.2023 07:41
Die Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ benennt im Rahmen der „Kompetenzen in der digitalen Welt“ folgende Kompetenzen:
5.5. Algorithmen erkennen und formulieren
5.5.1. Funktionsweisen und grundlegende Prinzipien und digitale Welten kennen und verstehen
5.5.2. Algorithmische Strukturen in genutzten digitalen Tools erkennen und formulieren
5.5.3. Eine strukturierte, algorithmische Sequenz zur Lösung eines Problems planen und verwenden
In Rheinland-Pfalz finden sich diese Kompetenzen zusammengefasst im MedienkomP@ss: „Anwenden und Handeln – Funktionsweisen und grundlegende Strukturen digitaler Werkzeuge erkennen, Algorithmen verstehen und selbst in Sequenzen anwenden“
Bei der Auseinandersetzung mit textgenerierenden KI-Anwendungen können drei Perspektiven leitend sein:
die technologische Perspektive: Wie funktioniert ein KI-Textgenerator?
die soziokulturelle Perspektive: Welche gesellschaftlichen Auswirkungen hat der Einsatz von KI?
die anwendungsbezogene Perspektive: Wofür kann die KI-Anwendung genutzt werden und was ist dabei zu beachten?
Welche rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen sind bei der Nutzung im unterrichtlichen Zusammenhang zu beachten?
Im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI-Anwendungen im Unterricht sind verschiedene rechtliche Aspekte zu beachten, insbesondere im Hinblick auf die Verarbeitung, Auswertung und ggf. Weitergabe personenbezogener Daten, die derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden können. Dies auch deshalb, weil die jeweiligen Einsatzmöglichkeiten und Einsatzbedingungen von KI-Anwendungen unterschiedlich sein können.
Unabhängig davon gilt, dass der Einsatz von KI-Anwendungen im Unterricht - wie auch die Nutzung einer Online-Plattform oder einer App – nur unter Beachtung der geltenden und bekannten datenschutzrechtlichen Vorgaben erfolgen darf. Die Verantwortung für die Einhaltung des schulischen Datenschutzes liegt bei der jeweiligen Schulleitung. Dabei ist sorgfältig zu prüfen, inwieweit personenbezogene Daten der Nutzerinnen und Nutzer anfallen und ggf. technische oder organisatorische Maßnahmen zu deren Schutz zu ergreifen sind.
Hinweise, welche Daten der Anbieter einer KI-Anwendung verarbeitet, finden sich insbesondere in der Datenschutzerklärung und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dabei kann es sich z. B. um Daten handeln, die für die Nutzung grundsätzlich erforderlich sind, wie z. B. bei der Erstellung eines Accounts (hier sind ggf. Altersbeschränkungen zu beachten). Aber auch solche Daten, die bei der konkreten Nutzung (automatisch) anfallen. Wichtig ist daher, dass ein Anbieter transparent über seine Datenverarbeitung und insbesondere über die Rechte auf Löschung informiert.
Mit Blick auf die verschiedenen Einsatzszenarien in der Schule und die bisherigen Erkenntnisse zu den Nutzungsbedingungen einer KI-Anwendung wie ChatGPT lassen sich folgende Einschätzungen und Hinweise ableiten:
Die Nutzung von ChatGPT im Unterricht mit eigenen Geräten der Schülerinnen und Schüler bzw. über eigene Accounts/E-Mail-Adressen kann angesichts der aktuellen Sach- und Rechtslage (insbesondere mit Blick auf datenschutzrechtliche Vorgaben) nicht empfohlen werden.
Sofern Lehrkräfte auf freiwilliger Basis über einen Zugang zu ChatGPT oder anderen KI-Anwendungen verfügen, können sie diesen nutzen, um im Plenum mit den Schülerinnen und Schülern mit der KI-Anwendung zu arbeiten. Dabei ist wie bei allen anderen Anwendungen darauf zu achten, dass keine personenbezogenen Daten der Schülerinnen und Schüler übertragen werden. Dies wäre z. B. der Fall, wenn Eingaben verwendet werden, die einen Bezug zur Klasse oder zu einzelnen Schülerinnen und Schülern herstellen.
Es wird empfohlen, auch die Eltern über die Art und Weise des Einsatzes einer KI-Anwendung im Unterricht und den Rahmen der rechtlich zulässigen Möglichkeiten zu informieren. Ebenso kann die Information über KI-Anwendungen in den Mitwirkungsgremien dazu beitragen, eventuell bestehende Unsicherheiten abzubauen.
Wie eine Nutzung durch Schülerinnen und Schüler mit eigenem Account zukünftig möglich sein wird, hängt von der Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien der Anwendung(en) im Einzelfall ab.
Hilfreich für die schulische Praxis können auch erste Einschätzungen aus Sicht der schulischen Datenschutzbeauftragten sein, die z. B. unter https://www.datenschutz.rlp.de/de/aktuelles/detail/news/News/detail/neue-inhalte-zu-ki-und-chatgpt/ zu finden sind.
(vgl. Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen: Ein Handlungsleitfaden, Ministerium für Schulen und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen)
Welche Konsequenzen können textgenerierende KI-Anwendungen für die Entwicklung der Textkompetenz der Schülerinnen und Schüler haben?
Peter MüllerVeröffentlicht 03.03.2023 15:20
Bislang gibt es keine wissenschaftlichen Befunde darüber, wie sich die Integration von textgenerierenden KI-Anwendungen auf die Ausbildung grundlegender Schreibkompetenzen auswirkt. Auch wenn der Einschätzung, dass sich Schreibkompetenz vor allem durch eigenes Tun entwickelt, sicherlich zuzustimmen ist, greift eine direkte Ableitung negativer Konsequenzen zu kurz. Gerade mit Blick auf Schülerinnen und Schüler, die ggf. einen höheren individuellen Unterstützungsbedarf haben, müssen die Einsatzmöglichkeiten einer textgenerierenden KI-Anwendung weiter reflektiert werden (z. B. individuelles Nachfragen zum Textverständnis, Scaffolding, unterschiedliche Schwierigkeitsgrade von Texten im Unterricht).
(vgl. Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen: Ein Handlungsleitfaden, Ministerium für Schulen und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen)
Kann KI auch eine Unterstützung für den Lernprozess sein?
Peter MüllerVeröffentlicht 03.03.2023 15:20
Ein lernförderlich gestalteter Einsatz von KI kann dazu beitragen, Sprach-, Schreib- und Bewertungskompetenzen zu erweitern. Hier gilt es, den Einsatz im Sinne fachlicher und überfachlicher Kompetenzen (z. B. Medienkompetenz oder digitale Schlüsselkompetenzen der Berufskollegs) didaktisch zu gestalten. So können z. B. die von der KI erstellten Texte auf Richtigkeit, Konsistenz, Stil etc. überprüft werden. Ebenso ist es möglich, an der sachlichen Richtigkeit oder der Argumentation zu arbeiten.
Scaffolding: Neben der Unterstützung bei der Bearbeitung von Texten kann KI auch in anderen Bereichen individuelle Hilfestellungen während des Lernprozesses geben. So ist es beispielsweise möglich, sich bei einer Internetrecherche Texte vereinfachen oder übersetzen zu lassen. Darüber hinaus können sich Lernende Sachverhalte noch einmal erklären lassen, Fragen dazu beantworten und nach passenden Beispielen oder Analogien suchen lassen.
Erstellung von Übungsmaterial: Eine textgenerierende KI kann Selbsttests erstellen, um zu überprüfen, ob die Lernenden in der Lage sind, den Inhalt eines Textes korrekt wiederzugeben. Diese Lückentexte, Multiple-Choice-Tests oder auch Fragen mit Antwortvorschlägen können später zur Wiederholung und Übung eingesetzt werden. Die Quizformate könnten z. B. auch in Lernmanagementsysteme wie dem Schulcampus RLP eingebunden und als Übungsmöglichkeit für die Klasse oder den Kurs zur Verfügung gestellt werden.
Die festgelegten Bewertungskriterien für ein Lernprodukt können mit Hilfe der KI für ein jederzeit verfügbares und zeitnahes formatives Feedback genutzt werden. Dabei ist für die Schülerinnen und Schüler klar, dass es sich um eine Rückmeldung zur Anpassung des Lernprozesses und nicht um eine Leistungsbewertung handelt, da die Lehrperson nicht direkt in die Rückmeldung involviert ist. Dazu ist es notwendig, dass die Kriterien für die Lernenden nicht nur transparent, sondern auch nachvollziehbar sind, um mit dem Ergebnis sinnvoll weiterarbeiten zu können.
KI-generierte Texte können im Unterricht in mehrfacher Hinsicht als Diskussionsgrundlage bzw. Diskussionsgegenstand genutzt werden. Einerseits können sie zum Brainstorming, zur ersten Orientierung und Strukturierung oder zum Sammeln von Argumenten dienen, andererseits muss immer auch über die Entstehung der Inhalte gesprochen werden. Da die Texte auf der Basis eines KI-basierten Sprachmodells erstellt werden, ist die Korrektheit nicht zwangsläufig gegeben. Die Lernenden müssen angeleitet werden, die Inhalte zunehmend selbstständig mit ihrem Vorwissen abzugleichen. Darüber hinaus sind die von der KI erstellten Texte auch aus einer Werteperspektive zu betrachten, da Werte, Normen und ethische Aspekte bei der Texterstellung durch die KI keine Rolle spielen.
(vgl. Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen: Ein Handlungsleitfaden, Ministerium für Schulen und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen)
Welchen Nutzen kann ich als Lehrkraft daraus ziehen?
Peter MüllerVeröffentlicht 03.03.2023 15:20
In der Diskussion um die Einsatzmöglichkeiten einer textgenerierenden KI zeigen sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten auch für Lehrkräfte:
Lehrkräfte können bei der Unterrichtsvorbereitung vom Einsatz von KI-Textgeneratoren profitieren, wenn sie z. B. Differenzierungsmöglichkeiten, Tests zur Diagnose, Ideen zur Unterrichtsgestaltung oder erste Korrekturen der von den Lernenden erstellten Produkte generieren lassen. So können Texte vereinfacht und auf verschiedenen Niveaus angeboten werden, Analogien und Beispiele gefunden oder Quizformate erstellt werden. Texte können hinsichtlich Grammatik, Rechtschreibung und Satzbau vorkorrigiert werden. Zu einem medienkompetenten Einsatz gehört auch hier die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen, d.h. es dürfen keine Schülerdaten eingegeben werden. Weitere Hinweise geben die ethischen Richtlinien für Lehrkräfte (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/api/files/document/print/de/ip_22_6338/IP_22_6338_DE.pdf)